Wir haben schon länger nicht mehr von uns hören lassen, aber wir haben da noch was. Ein kleines verspätetes verstecktes Osterei. Dies wird der letzte Blogeintrag unserer gemeinsamen Reise sein. Duc ist mittlerweile wieder zurück in Deutschland seit Ende März und Anne hat ein Praktikum in La Serena, im Norden Chiles angefangen. Dazu in einem weiteren Bericht mehr.
Nachdem wir der teils von deutschen Siedlern geprägten Stadt Puerto Varas (es gibt eine Bäckerei names Vollkornbrot) haben wir uns auf den Weg nach Cochamó gemacht. Um Annes Hand zu schonen, haben wir uns für eine Mischung aus Fahrrad und Bus entschieden. Auf dem Teil, den wir mit dem Fahrrad gefahren sind, hat Annes Hugo aber kräftig protestiert und wir hatten gleich zweimal einen Platten und konnten nur Dank der Schlauchspende eines vorbeifahrenden Radfahrers weiterfahren. Es wurde richtig spät und entsprechend dunkel, so dass Duc noch am Gelände einer schmalen Brücke hängenblieb und blutete. Nachts, hungrig und genervt, kommen wir an einer Pommesbude an und bestellen mit blutiger Hand unser Abendessen. Pommes mit Majo und Ketchup. Die Frau hatte eigentlich schon zu, konnte uns arme Seelen aber nicht so stehen lassen, also lies sie Duc seine Hand waschen und fütterte uns mit Fast Food. Nach einer Nacht am Strand von Ensenada mit Blick auf den Vulkan Osorno, sind wir dann am nächsten Tag ins Valle de Cochamo aufgebrochen.



Leider ist dieser wundervolle Fleck Erde nicht Teil des chilenischen Nationalparksystems CONAF. Wenn ihr euch die Bilder anschaut werdet ihr euch auch wundern. Daher haben sich die Bewohner des Tals in einer Organisation zusammengeschlossen, um sowohl Natur- als auch Kulturerbe zu schützen. In den letzten Jahren war das auch mehrmals nötig. Ein Minenbesitzer wollte eine Straße durch das Tal bauen um seine Mine besser zu erschließen und um eine Verbindung nach Argentinien zu eröffnen. Ein anderes Mal wollte ein Energieversorger seine Stromleitungen durch das Tal führen mit dem Versprechen an die Bewohner des Tals, sie auch an das Netz anzuschließen. In dem Vertrag der mit den Bewohnern abgeschlossen werden sollte, wurde ein Stromanschluss allerdings nicht erwähnt. In beiden Fällen konnten die Projekte durch den starken Zusammenhalt im Tal und durch das Eingreifen der Regierung wieder gestoppt werden. Der organisierte Zusammenschluss der Menschen ist daher bitter nötig um gegen die starken äußeren Einflüsse ankämpfen zu können. Da kann man nur hoffen, dass Gemeinschaft und Wertschätzung noch lange gegen kapitalistische Einzelinteressen ankommen können. Den Orte wie Cochamo müssen geschützt werden, am besten auch per Gesetz.





Man kommt also in dem Tal an und nach dem Ende der Schotterstraße und der Registrierung im Besucherzentrum, stapft man bald das erste Mal durch den Matsch, der einen von da an noch den weiteren Weg begleiten wird. Um dem Matsch zumindest großflächig auszuweichen, tanzt man die folgenden 13 km von Stein zu Baumstamm allmählich in das Tal hoch. In dieser Region beträgt der durchschnittliche Jahresniederschlag 3500mm (ca. das 100-fache vom 1500km nördlich gelegeneren La Serena), das spiegelt sich deutlich in der Fauna und Wegbeschaffenheit wieder. Aber es gehört irgendwie auch einfach zu Cochamo dazu. Solange man im Schutz des Regenwaldes läuft, enthält eben auch der Boden viel Wasser. Den ersten Blick auf die empor ragenden Granitwunder können wir auf einer kleinen Wiese erhaschen, wo wir in der Sonne einen zweistündigen Mittagsschlaf genießen. An den Campingplätzen schließlich angekommen, zieht uns das Tal weiter in seinen Bann. Umgeben von steilen Granitwänden eröffnet sich eine saftige Wiese an einem eiskalten, klaren Fluss. Die Abendsonne scheint noch die obersten Gipfel an und es legt sich langsam ein Teppich aus Tau über die Fläche. Je dunkler es wird, desto mehr kann man sich allerdings am Blick nach oben erfreuen. Es ist Neumond, die nächste Stadt und Lichtquelle weit weg. Ab jetzt kann man sich kaum an Milchstraße und Sternschnuppen satt sehen.






Wir bleiben drei Nächte in der Internetlosigkeit und leben von dem, was wir eben auch hochgetragen haben. Wir machen zwei Tageswanderungen mit gigantischen Aussichten und einigen Höhenmetern. Ducs Herz blutet, weil er den Fels nur anfassen aber nicht hochklettern darf. Annes auch, aber die eine Hand funktioniert ja sowieso noch nicht. Unter den Campingplatzbetreibern ist auch die deutsche Aussteigerin Lina aus München. Sie war vor einigen Jahren selbst auf einer Radreise durch Patagonien und kam so in Cochamo vorbei und schließlich zwei Jahre später wieder zurück um zu bleiben. Seitdem wohnt sie im Tal, baut Gemüse an und kümmert sich um die Trockentoiletten und anderen Einrichtungen des Campingplatzes. Ins Dorf runter geht sie circa ein mal im Monat.











Die Eindrücke aus Cochamo sind wunderschön und intensiv. Ein einprägsames Highlight zum Ende unserer Reise. Auf gleichem Weg wie wir gekommen sind, fahren wir dann wieder nach Puerto Montt zurück, dem Anfang oder Ende der Carretera Austral. Wir campen unsere letzte Nacht im Zelt im Garten eines süßen Hostel der Gastgeberin Perla. Perla vermietet die Zimmer ihres Hauses, in dem sie mit Tochter und Enkelin lebt, seit über 30 Jahren und kann fließend Englisch. Mit den Äpfeln des Baumes ihres Gartens plant sie zwei Tage später Empanadas zu backen mit ihren Freundinnen um sie am Tag später zu verkaufen. Ihr Haus und Garten ist eine kleine Oase in der hektischen Stadt, die uns aus unserer patagonischen Parallelwelt langsam wieder herausholt. Denn nach einem Fußballspiel im Park an der Promenade müssen wir unsere Fahrräder auseinander schrauben um den Nachtbus nach Santiago zu nehmen. Von hier fliegt Duc schließlich einen Tag später nach Europa zurück und Anne nimmt den Bus nach La Serena.




In den vergangenen Wochen haben wir das Sprichtwort “Nur wer durch Patagonien eilt, verliert Zeit” in vollen Zügen gelebt. Das schrittweise Vorankommen mit dem Fahrrad, die extremen Landschaftswechsel von argentinischer Steppe zu schroffen Granitfelsen, das Ausgeliefertsein vor den Elementen Wind und Wasser, endlose Weiten, in denen der nächste Supermarkt 200km weit weg ist… Patagonien ist ein besonderer Ort mit einzigartigen Aussichten und Naturschauspielen. Auch wenn man das Gefühl hat, die Zeit könnte hier stehen geblieben sein (was sie auch quasi tut, wenn man nie auf die Uhr schaut) zeichnen sich mittlerweile auch hier die Krisen unserer Zeit ab. Das letzte kontinentale Eisfeld schmilzt zu schell und reiche weiße Männer kaufen sich Land unter dem Eis, um sich Wasser für die Zukunft zu sichern. Ein Ort, der trotz oder gerade wegen seines Reichtums an Biodiversität, Wasser und Wildnis ein armes Opfer ist. Es wird Zeit für ein System, das Mensch und Natur gleichermaßen schützen kann. Für uns war Patagonien ein lehrreiches Abenteuer und wunderbarer Fleck Erde, den wir wohl für immer im Herzen behalten werden. Wir sind dankbar diese Reise gesund und munter erlebt haben zu dürfen.
Mal noch in einigen Facts zusammengefasst:
- 78 Tage von Punta Arenas bis zum Ende der gemeinsamen Reise in Santiago
- 43 Nächte im Wildcamping
- Über 2.000 km
- 17.000HM auf der Carretera Austral
- 1 Totalschaden (Ducs 1. Fahrrad), 4 Platten, 1 Achter, 1 kaputtes Kugellager
- Noch nie zuvor gesehene Wildtiere: Stinktier, Guanaco, Andencondor, Flamingos, Pinguin, Delfine, Kolibri
- 734 € pro Person pro Monat (exclusive des Langstreckenfluges)
- Manchmal gestritten und wieder vertragen
Und vielen lieben Dank für euer Interesse und liebe Kommentare und Nachrichten! Es ist schön zu wissen, dass da am anderen Ende der Welt Menschen so mitfiebern. Danke!
…. und wieviel Kilogramm Erdnussbutter ?
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