(Bilder aktualisiert)
Wir melden uns mal wieder – diesmal aus Argentinien. Bei der Reise in den Norden passieren wir das Südpatagonische Eisfeld – eines der letzten drei verbliebenen auf unserem Planeten neben der Antarktis und Grönland. Da Chile sehr schmal ist und auf diesem Breitengrad das Eis in Chile unpassierbar macht, weichen wir über Argentinien aus. Das ist aber definitiv keine Plage.



„Arm und schön“ – so fasst es der Argentinier Sebastian, den wir in El Calafate auf dem Campingplatz kennen lernen ganz gut zusammen. Um die 60er Jahre herum hatte Argentinien noch eine vergleichbare Wirtschaftskraft wie eine europäische Länder. Einige Krisen lassen das Land aber mittlerweile weiter zurückfallen. War im Jahr 2001 ein Peso noch 1 US-Dollar wert, so entsprechen heute 380 Peso einem Dollar. Die Inflation beträgt derzeit 94% gegenüber dem Vorjahresmonat. Das Thema ist merkbar hochaktuell und das Land droht noch in diesem Jahr staatsbankrott zu gehen, was letztendlich die Bevölkerung und einfache Arbeiter zu spüren bekommen. Wir bekommen das nur am Rande mit, denn dem Tourismus, der ausländische Währung anzieht, geht es blendend. Aber zum Beispiel gibt es mehrere Fahrradläden nicht mehr, die uns auf iOverlander (brauchbare App hier) angezeigt werden – ein Geschäft, das oft nicht auf den großen Gewinn aus ist und es handelt mit einem Produkt, das die Argentinier aus der Pampa (=Süden) sich sowieso nicht leisten. Lieber fahren sie 200 Jahre alt erscheinende Klapperkisten mit Verbrennermotor durch die Gegend. Denn die Distanzen sind riesig und das Öl kommt aus argentinischen Haus (YPF) und ist spottbillig. Gerade mal einen halben Euro pro Liter.
Bezaubernd sind allerdings Landschaft und Leute. Der argentinische Teil Patagoniens befindet sich östlich der Anden. Die hier stark dominierenden Westwinde verlieren über den Anden ihren Niederschlag und prägen so die Pampa. Kilometerweites Nichts – mit wind- und trockenheits resistenten niedrigen Sträuchern versehen und herumstreunenden wilden Guanacos, Hasen, Füchsen und Vögeln. Die UV-Strahlung ist unglaublich stark und wird an Informationsstellen in dieser Zeit meist mit 11/11 angegeben.
Zurück zu den Türmen: Nach einer knappen Woche in und um Puerto Natales, in der Duc insgesamt vier Bewerbungsgespräche hatte, machen wir uns auf den Weg zum Nationalpark Torres del Paine. Der Besuch ist sehr reglementiert und da wir keine Reservierungen für Übernachtungen schon ein halbes Jahr im Voraus geplant haben, entscheiden wir uns für die Eintageswanderung zu den Base de los Torres. Dieser Plan entstand quasi in 2 Minuten. Wir entschieden, das Eco-Festival an der Laguna Sofía zu verlassen, und machten uns am Sonntag um 14 Uhr auf den knapp 90km langen Weg zum Torres. Proviant haben wir das letzte Mal am Freitag gekauft und wir waren nicht gewappnet auf die Tour, die uns erwarten sollte. 90km um 14 Uhr mit potenziell viel Gegenwind anzufangen ist eigentlich eine sehr schlechte Idee, aber wir machen es irgendwie. Um 23 Uhr sind wir an den Toren des Torres und schlafen ganze 3 Stunden in einem Busch. Um 2 Uhr nachts fuhren wir hinein, die Kasse hatte zu dieser Zeit schon geschlossen und wir legten uns in irgendein Dornenfeld, das nachts nicht ganz so gut erkennbar war. 5 Stunden später für ich (Duc) wie ein verrückter zum Willkommenszentrum des Torres del Paine und kaufte für 11 Euro Internet für 3h, damit ich um 8:00 ein weiteres Interview wahrnehmen konnte. Danach starteten wir die Tageswanderung, die doch eher sportlicher Natur war. Wir schliefen wie Steine, so dass Anne vergaß mir zu berichten, dass neben uns dutzende Flamingos in der Lagune standen. Auch der Grund, warum uns am morgen dutzende Touristen begafften, als wir langsam aufstanden, um unseren Weg nach Argentinien zu beginnen.






Wir fahren bei guten Rückenwind (wir fahren ja Richtung Osten mit Westwind im Rücken) über die chilenisch-argentinische Grenze. Am argentinischen Grenzhaus wird uns dann klar gemacht, dass wir noch einmal neun Kilometer gegen den Wind zurückfahren müssen, das wir ein Stück Papier vergessen haben an der chilenischen Grenze. Unter großem Ärger und ein/zwei (Freuden-) Tränen (Anne) fahren wir wieder zurück, holen und das Stück Papier und übergeben es auf argentinischer Seite dem Grenzbeamten. Welcher es dann in den Müll schmeißt. Und der Wind ist wirklich STARK. Hätte ich mir nicht erträumen können, muss man einfach erleben. Man fährt gegen eine Wand und freut sich, dass man nach einer Stunde 7km gemacht hat.

Die darauffolgenden drei Tage fahren wir bei starken Seiten- und Rückenwinden nach El Calafate. Unser Lieblingsfreund wird AGVP (ADMINISTRACIÓN GENERAL DE VIALIDAD PROVINCIAL – sowas wie die Straßenverwaltung). Im sonst so verlassenen Santa Cruz – diese argentinische Region hat eine Bevölkerungsdichte von 1 Person/ Quadratkilometer – stellen sie für viele Radreisende einen Zufluchtsort mit Wasser, Windschutz, Toilette, Strom und Internet dar. Alles, was auf einer Radreise im Nirgendwo zu einem bestimmten Punkt sehr existenziell wird. Sie laden einen sofort ein, dass man bei ihnen doch kochen und sich hinsetzen solle und nehmen in Hochzeiten bis zu 10 Radfahrer in ihrem Hof auf. Jedenfalls ging uns langsam aber sicher das Essen aus – es war Freitag und der letzte richtige Einkauf war eine Woche her, dazwischen gab es nur Kekse aus Cerro Castillo. Unser letztes Mittagessen vor El Calafate bestand daher aus Reis, dem ich noch etwas Butter hinzufügte.




Überrascht haben sie uns auch beim Campingplatz in Calafate, der für Bauarbeiter und Radfahrer (und andere verlorene Seelen) für knapp 3 Euro die Nacht, alles bietet. Der Strom fällt manchmal aus, das W-Lan funktioniert nicht immer, aber sonst ist alles Tip Top und sie haben den schlausten Windschutz eingerichtet, der gleichzeitig auch wunderschön aussieht – riesige 30m Hohe Pappeln, die den Wind auffangen und das Sonnenlicht in einen angenehmen Schattenteppich verwandelt.


Stinkige Begegnung: Wir wachen nachts auf, weil ein kleines Stinktier an unseren Sachen schnüffelt. Aus Angst, dass es seine stinkige Waffe einsetzt, wissen wir nicht so recht, wie wir den Gast wieder loswerden können. Zum Glück geht er kurz darauf selbst.
Langsamster Abschnitt: An einem der vergangenen Fahrtage hat der Wind besonders stark geweht mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von über 10m/s und entsprechend noch stärkeren Böen. Wir kommen in 2 Stunden nur circa 10 km voran.
Ein Kampf für Klimagerechtigkeit: In meiner Zeit in Norwegen vor dieser Südamerikareise habe ich mich stark für Klimagerechtigkeit eingesetzt. Im Rahmen der Kampagne habe ich mich mit Stopp oljeletinga gegen die weitere Vergabe von Lizenzen zur Suche nach neuen Ölfeldern eingesetzt. In Folge einer Straßenblockade auf den Lofoten stehe ich am 30.01. vor Gericht – online zugeschaltet aus Argentinien. Mein Aufenthalt hier bestätigt für mich, wie wichtig es ist, hier und heute für Klimagerechtigkeit zu kämpfen. Europa lebt in einem Wohlstand auf Kosten von Menschenrechten anderer. Das müssen wir ändern. Macht mit – zum Beispiel durch eine Spende an Stopp oljeletinga!




Super! Klasse, dass ihr beiden uns auf diesem Abenteuer mitnehmt. Genießt es – weiterhin alles Liebe von daheim und immer Rückenwind. 1000 Bussi aus Leonberg – Mama
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